Das Leben im Dorf - Websky, Hartmann & Wiesen AG

 

Zur Geschichte und Bedeutung für das Dorf

 

Die Geschichte der das Dorf so prägenden Fabrik sein hier in einer Zusammenfassung aus der Jubiläumsschrift "75 Jahre Websky, Hartmann & Wiesen", herausgegeben 1928 wiedergeben. Der vollständige Text, der auch Angaben zu den verschiedenen angewandten Verfahren enthält, kann hier nachgelesen werden.

 

>>.....Die heutige Bedeutung verdankt Wüstewaltersdorf drei Männern, die eine eigenartige Fügung zusammenbrachte, dem vielseitig begabten Techniker der Reichenheimschen Fabrik in Wüstegiersdorf Rudolf Mau und dem aus einer Greiffenberger Bleicherfamilie stammenden Carl Friedrich Hartmann, der in Hausdorf (Kreis Waldenburg) eine kleine Bleiche betrieb.
Sie erregten durch die Ankündigung eines neuen Bleichverfahrens (mit Chlorgas) die Aufmerksamkeit in den Kreisen der Kaufleute und schließlich bei den Fachleuten im Handelsministerium. Da sich aber die Aussichten auf eine beantragte staatliche Unterstützung nicht erfüllten, sahen sie sich darauf angewiesen, das erforderliche Kapital selbst zu beschaffen. ...


So war es ein Glück, daß sich ihnen, als sie in Wüstewaltersdorf ein Grundstück erworben hatten und ihre Pläne für den Bau einer vollständigen Bleich- und Appretur-Anstalt entwarfen, der zweite Sohn Egmont des Wüstegiersdorfer Leinenkaufmanns Kommerzienrats Martin Websky als Teilhaber anbot. Die drei wurden also die Gründer eines Werkes, das noch heute zwei ihrer Namen trägt, unter der Firma: E. Websky, Hartmann & Mau.

Bestimmend für das Unternehmen gerade in Wüstewaltersdorf war die Möglichkeit, nach dem Zusammenbruch der ehemaligen v. Zedlitzschen Herrschaft Grundstücke zu erwerben; entscheidend war das vorzügliche Wasser unseres Gebirgstales, das infolge der klimatischen und geologischen Verhältnisse unseres Gebirgshanges dem Wasser der Vogesen gleichwertig ist.

...Nach dem im Jahre 1864 erfolgten Ausscheiden des Rudolf Mau wurde das Unternehmen unter der Firma E. Websky & Hartmann weitergeführt. ....<<

 

Nach weiteren Wechseln der Teilhaber und Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1923 trug das Unternehmen dann den Namen Websky, Hartmann & Wiesen AG.

 


Firmenaktie von 1933

>>....Das heutige Unternehmen (im Jahre 1928, A.d. Red.) umfaßt eine Flachsgarnspinnerei in Tannhausen, in Wüstewaltersdorf und Zedlitzheide eine Gebildweberei mit dazugehöriger Vorbereitung (Spulerei und Schlichterei, eine Näherei, eine Ausrüstungsanstalt (Bleiche und Färberei) für leinene und baumwollene Stückware und eine Garnfärberei, eine zentral gelegene moderne Dampf- und Kraftanlage mit Hochdruckkesseln von 30 atü, Gegendruckdampfturbine, Dieselmotor, sowie eine Ferndampfleitung von 845 m Gesamtlänge, und eine umfangreiche Reparaturwerkstatt. Ferner in Blumenau eine Leinen- und Baumwollgarnbleiche.


Der umfangreiche Grundbesitz der Gesellschaft liegt in den Gemeinden Wüstewaltersdorf, Zedlitzheide, Eckartsberg, Friedersdorf, Heinrichau, Hausdorf, Tannhausen und Blumenau und umfaßt 166,8000 ha Gesamtgröße, davon 15,2428 ha bebaute Grundfläche, 73,3612 ha Acker- und Wiesengelände, 78,1960 ha Forst.

 

Das Unternehmen, das unser Wirtschaftsleben in Wüstewaltersdorf völlig beherrscht, sah es von jeher für seine vornehmste Pflicht an, soziale Einrichtungen für Arbeiter und Beamte zu schaffen. Die ersten Gedanken finden sich bereits in handschriftlichen Aufzeichnungen des Dr. E. Websky aus den Anfängen der Firma, aus einer Zeit, in der sozialpolitische Ideen wenig oder gar nicht gepflegt wurden. Als solche Einrichtungen sind zu nennen: Kleinkinderschule, Mädchenheim, Arbeiterunterstützungskasse, Krankenkasse, Altenhaus, Krankenhaus, Schrebergärten.


370 Werkswohnungen stehen dem Unternehmen augenblicklich für Arbeiter und Beamte zur Verfügung. Sonstigen sozialen und kulturellen Aufgaben, wie sie die Gemeinde oder andere öffentliche Körperschaften erforderten, lieh die Firma stets ihre Unterstützung. Die Entstehung der für die gesamte Bevölkerung von Wüstewaltersdorf und Umgegend so wichtigen Kleinbahnverbindung zwischen Wüstewaltersdorf und dem 5 km entfernten Hausdorf ist im wesentlichen dem tatkräftigen Eingreifen des H.C. Wiesen zu verdanken. ......<<

 

Soweit die die Firmengeschichte bis 1928 aus der Jubiläumsschrift.

Meine Tante berichtete mir, dass das Unternehmen auch die Tischwäsche (Damasttischdecken und Servietten) für die Ausstattung der "Titanic" hergestellt haben soll.

 

Einweiterer Zeitzeuge berichtet:

>> ...Im Jahre 1931 wurde Herbert Willner zum alleinigen Firmenvorstand ernannt und war bis zum Kriegsende, am 8. Mai 1945, Generaldirektor der Firma Websky, Hartmann & Wiesen AG. In den harten Rezessionsjahren (1930/32) gelang es ihm durch seine Tatkraft und Umsicht die Firma aus der Krise herauszuführen und so der Belegschaft Arbeit und Brot zu erhalten. Zeitgemäße Neuerungen hat Dir. Willner erkannt und in die Produktion eingebaut und dadurch der Firma einen neuen Aufschwung gegeben. Dazu gehörten folgende Produktionszweige: Filmdruckerei, Kunststoffverarbeitung, Fertigung von Pausleinen und Kaliko...<<


In der Gemeinde Zedlitzheide stand die "Kaliko", ein Zweigwerk der Firma Websky, Hartmann & Wiesen AG. Sie war durch eine 845 m lange Ferndampfleitung an das Hauptwerk in Wüstewaltersdorf angeschlossen. Der Leiter dieses Werkes war Christian Striezel, der im Jahre 1933 in die Dienste der Firma eintrat. Aus einer leerstehenden alten Leinenbleiche und Färberei baute er mit seinen Mitarbeitern das Werk neu auf. Im Jahre 1938 wurde C. Striezel zum Direktor ernannt. Er leitete dieses Werk mit großer Fachkenntnis.
Neben Bucheinbandstoffen und Kunstleder wurde in der Kaliko-Fabrik Pausleinen für technische Zeichnungen fabriziert. Ein Spezialartikel, der in Deutschland nur noch von einer anderen Firma hergestellt wurde. Während des Krieges wurden Gasplanen und Gewebe für leichte Gasschutzbekleidung gefertigt. Auch hatte die Firma vom O.K.H. Abt. Rüstung mehrere Entwicklungsaufträge erhalten.

Die Oberweberei-Fabrik als Zweigwerk lag noch auf der Gemarkung Wüstewaltersdorf an der Straße in Richtung der Ortschaft Dorfbach. Hier wurden in der Hauptsache Geschirr- und Taschentücher hergestellt. Die Oberweberei wurde Anfang der 30er Jahre stillgelegt. Das Gebäude wurde während des Krieges zur Unterbringung von französischen Kriegsgefangenen genutzt.

 

Während des Krieges befand sich im Spinnereigebäude der Aktiengesellschaft ein Arbeitslager für Zwangsarbeiter für das "Objekt Riese" (siehe auch Objekt Riese). - Auch ist bekannt, dass im Innenhof der Firma die Transporte mit Zwangsarbeitern eintrafen, diese dort ihre Kleidung und Wertsachen abgeben mussten, und dann in dünner "Einheitskleidung" auf weitere Lager in den Bergen verteilt wurden. (Zeitzeugenbericht)

>>... Nach dem Einmarsch der Russen wurde Ende Mai 1945 die Arbeit in der Fabrik wieder aufgenommen. Der russische Kommandant von Wüstewaltersdorf und seine Mannschaft übernahmen die Aufsicht und Kontrolle in der Fabrik. Wochenlang kamen russische Lastkaftwagen aus Waldenburg und räumten das Warenlager in der Firma. Noch im Mai bekam die Firma den 1. polnischen Direktor. - Zwischen 1945 und 1946 wurde in der Weberei fast ausschließlich Uniformköper für die Russen gewebt.

 

Nach der Besetzung Schlesiens durch Polen wurde das Werk im Mai 1945 unter polnische Verwaltung gestellt. Die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben und in den nun menschenleeren Gebieten, Polen angesiedelt, die überwiegend aus kleinbäuerlichen Familien stammten. So mangelte es an entsprechenden Fachkräften, die auf dem polnischen Arbeitsmarkt ebenfalls nicht zu bekommen waren. Um diese Lücke schließen zu können, wurde ein Teil deutscher Fachkräfte der Firma Websky, Hartmann & Wiesen mit ihren Familien von der Vertreibung zurückgestellt und in ihren entsprechenden Arbeitsbereichen belassen (darunter mein Grossvater, der Betriebsschlosser war).
Mit der Aussiedlung der letzten Fachkräfte im Jahre 1958 endete auch dieser Abschnitt der Geschichte der einst weit über die Grenzen Schlesiens bekannten Firma Websky, Hartmann & Wiesen AG.<<

 

alte Fotos der Fabrik

 

aktuelle Fotos

 

Wie es weiterging, das Ende der dann polnischen Fabrik

 

(Quelle: Jubiläumsschrift "75 Jahre Websky, Hartmann & Wiesen", herausgegeben 1928, eigene und aus der Chronik des Wüstewaltersdorfer Heimatboten)